Von der Gerste bis ins Glas
(Die Herstellung des Malts)
Die Herstellung eines Malts vollzieht sich in mehreren Stufen. Chemiker können beschreiben und analysieren, wie die Enzyme eingreifen, um Stärke in Zucker und Zucker in Alkohol zu verwandeln. Verlockt vom Zauber Schottlands kann man aber auch zu einer Mischung aus metaphysischem und magischem Vokabular greifen und bedenken, was beim Brennen zusammenwirkt, den Malt Whisky als das göttliche Ereignis einer Vermählung der vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft feiern. Denn tatsächlich sind sie alle an der Herstellung des Whisky\'s beteiligt. In der Erde entstand die Gerste; aber Erde ist auch Torf, der zum Feuern gebraucht wird und das Aroma schafft, weil auch das Wasser seinen Geschmack aufnimmt. Feuer ermöglicht die Destillation. Und die Luft, sie ist das Element, das oft übersehen wurde; immer klarer wird aber, dass die Qualität der Rohstoffe, die Sorgfalt und die Erfahrung der mit der Herstellung betrauten Brenner gar nicht hoch genug eingeschätzt werden können, dass aber auch die Lagerung für den Whisky eine höchst bedeutende Rolle spielt.
Für sie ist nicht nur die Qualität und Beschaffenheit der verwendeten Fässer wichtig, sondern auch die Dauer und die klimatischen, auch mikroklimatischen Bedingen, also die Luft, der die Fässer ausgesetzt werden.
Da der Verfasser weder Metaphysiker und noch weniger Chemiker ist, soll die Herstellung des Malts an Hand der Ballade des „John Barleycorn\" des schottischen Nationalhelden Robert Burns erklärt werden. In „John Barleycorn\" spricht Burns allerdings nicht von Whisky, sondern „nur\" von Bier, also dem Zweitedelsten, was aus einem Gerstenkorn werden kann. Einen guten Teil ihres Lebensweges gehen die beiden, Bier und Malt, aber tatsächlich gemeinsam.
John\'s Leben beginnt auf einem Feld früher irgendwo in Schottland, in den fruchtbaren Borders etwa oder in den weiten Talsenken zwischen dem Deveron und dem Meer östlich der Grampians. Heute ist es freilich nicht mehr nur schottische Gerste, sie kann durchaus auch aus Frankreich oder sogar aus England kommen.
Um „unseren John Gerstenkorn\" (John Barleycorn) in Bier oder Whisky zu verwandeln, muss etwas in Gang gesetzt werden. Sowohl der Chemiker als auch der Metaphysiker gelangen bei ihrer Beschreibung des „Ingangsetzens\" zu jenem flüssigen Konzentrat, das die Schotten zärtlich und vieldeutig „Spirit\" nennen. Zunächst einmal muss aus dem Gerstenkorn ein Malzkorn werden, d.h. es muss gemälzt werden (Malting ca. 7 Tage). Früher hatte jede Destillerie ihren eigenen Floormaltings, hölzerne Tennen, auf denen die vorher eingeweichte und so zum Keimen gebrachte Gerste ausgebreitet wurde (Steeping ca. 36 Stunden). Sie musste immer wieder umgeschaufelt werden, damit sie gleichmäßig belüftet wurde und gleichmäßig trocknete (Drying ca. 4 Tage). Heute ist leider das Geräusch der im Takt bedienten Schaufeln aus den meisten Brennereien längst verschwunden. Gemälzt wird in modernen, großen Fabriken. Dieses moderne Verfahren beeinflusst aber keineswegs die Qualität des Malzes, es ist nur rationeller und kostengünstiger, wenn auch weniger romantisch.
Nächste Station im Leben unseres Gerstenkorns ist der Feuerofen (Kilning / Dörren ca. 48 Stunden. Die gekeimte aber immer noch feuchte Gerste muss getrocknet werden; ihr Feuchtigkeitsgehalt muss erheblich gesenkt werden von etwa 46 % auf 4 %. Unter dem Drum-Maltings wird ein Kohlefeuer entfacht. Ihm wird nach den Wünschen der bestellenden Destillerien mehr oder weniger Torf beigemischt. Früher war es komplizierter und schweisstreibender, die Gerste musste erst von der ersten in eine zweite Tenne befördert werden; sie befand sich in einem Gebäude, das man Kiln nennt. Kiln bedeutet Ofen. Kiln, das ist das Gebäude mit dem Pagodendach, das jede Brennerei dominiert und ihr Wahrzeichen ist. Neben dem Wasser ist die Menge des verwendeten Torfs das zweite Mittel, mit der bestimmt werden kann, welchen Charakter der Whisky später hat. Schwer getorft und rauchig sind die Inselwhisky\'s, insbesondere die von Islay. Die Lowlands dagegen sind nur schwach mit Torf behandelt. Einige wenige Brennereien verzichten gänzlich beim Mälzen auf Torf.
Aus der Gerste ist nun Malz geworden, ein Teil der Stärke hat sich in Zucker verwandelt. Das Korn ist süß, knusprig und crisp. Es wäre ein idealer Bestandteil für unser morgendliches Müsli, würde aber gleichzeitig das vorzeitige Ende für unseren John Barleycorn bedeuten. Glücklicherweise hat ihm ein gnädiges Schicksal ein Weiterleben und eine große Zukunft vorbestimmt. Für John selbst mag dies nicht zunächst so aussehen, denn er wird erst einmal sehr schlecht behandelt. John kommt in die Mühle (Milling), wo er gemahlen wird und zerquetscht. Damit nicht genug, er wird gebrüht, ehe man ihm ein paar Stunden Ruhe in einem großen Bottich gönnt. In der Mühle wird das Malz zu Grist gemacht, welches sodann eingemaischt wird (Brewing Mushing ca. 8 Stunden), d.h. Wasser in dem Mash Tun wird mehrmals gewechselt. Der Zucker soll herausgewaschen werden. Die dabei entstehende Flüssigkeit nennt man Wort oder Worts, Würze also. Die übrig gebliebenen Getreidereste werden zu Tierfutter verarbeitet, was uns nicht nur ausdrücklich darauf aufmerksam macht, dass wir in Schottland sind und die Schotten keineswegs geizig, sondern nur klug sind und nichts verkommen lassen.
Unser John Barleycorn ist nunmehr flüssig geworden. Die leicht süßliche und zart braune Brühe wird weiter befördert in den Wash Backs (filling the Wash Backs ca. 7 Stunden), große Bottiche, die meist aus Holz gefertigt sind. Und jetzt wird es heftig! Denn nun wird die Hefe (adding the yeast) zugesetzt in genau berechneter Menge und einer Qualität, für die jede Brennerei ihr spezielles und nie verändertes Rezept hat.
In den Kesseln entfalten sich nunmehr Naturkräfte (Fermenting / Gären ca. 60 Stunden), es gärt und blubbert und brodelt und schäumt und würde man die Wash Backs nicht verriegeln und verschließen, die Deckel würden sonst in die Luft fliegen. Der ganze Raum ist von schwerem Duft erfüllt und hält man die Nase über eine kleine Öffnung im Deckel, steigt etwas gewaltig in die Nase und füllt die Nebenhöhlen. Sie fühlen sich sodann wie frei geblasen. Die reinigende Kraft steigt bis ins Gehirn und macht es frei. Wer nicht aufpasst und zu viel abbekommt, kann schnell benommen werden, denn jetzt ist unser John bereits im Stadium der Alkoholwerdung. Jetzt ist er im Übrigen dem Bier sehr ähnlich. Obwohl John jetzt schon etwa 7 % Vol. aufweist, will er noch weiter kommen und größer werden. Dazu muss er sich wieder gewaltig einheizen lassen (Distilling). Er begibt sich dazu in eine Brennblase (first distillation ca. 8,5 Stunden), ein schönes Gerät aus gläsernem Kupfer. John kann zwischen vielen Formen wählen, aber er muss seine Wahl überlegt treffen. Denn obwohl sie groß ist oder klein, dick und gedrungen oder lang und schlank, wie eine Birne aussieht oder doch mehr wie eine Zwiebel oder ob sie einen Schwanenhals hat oder eine trapezförmige Krone. Daran entscheidet sich, wie sich Johns Körper entwickelt, ob er leicht und elegant wird oder eher mächtig und schwer. Die Brennblase wird „Pot Still\" genannt. An ihr liegt es übrigens, ob ein Whisky später einmal das Prädikat Malt bekommt. Da unser John Gerstenkorn aber ein schottischer Malt Whisky werden will, darf er natürlich nur in Schottland destilliert werden und nur aus den natürlichen Ausgangsmaterialien Gerstenmalz, Wasser und Hefe bestehen. Überdies darf er nur in einer Pot Still gebrannt werden.
Durch Erhitzen in den Pot Stills trennen sich die wässrigen von den alkoholischen Bestandteilen. Die Flüssigkeit wird verdampft. Alkohol, der einen niedrigeren Siedepunkt als Wasser hat, steigt als Dampf auf. Beim Durchlauf durch den Worm, die Kühlschlange, kondensiert er, wird wieder flüssig. Etwa 20 % Vol. weist er nunmehr auf und wird „Low Wine\" genannt. Er wird in die nächste Brennblase (Spirit- oder Low Wine Still – second distillation ca. 8 Stunden -) gepumpt und ein zweites Mal destilliert. Dabei beobachtet der Brennmeister ganz genau, wenn das Destillat durch den „Spirit Safe\" fließt. Das ist ein kupferner Kasten mit Glasscheiben, verschlossen und mit zwei Schlüsseln gesichert, damit kein Alkohol entfernt werden kann. Denn ab diesem Zeitpunkt tritt die britische Regierung in Form der Steuern an unseren John Barleycorn heran.
Ein Brennmeister muss viel Erfahrung mitbringen, um mit bloßem Auge und der Hilfe einiger Messinstrumente zu erkennen, was Fusel ist und was brauchbarer „Spirit\" (foreshot ca. 30 Minuten, middlecut ca. 2,5 Stunden, feints ca. 5 Stunden). Auf jeden Fall trennt er den Vorlauf, den Foreshot und die Feints, die Nachlaufkammer, ab. Er wird, wir sind doch nach wie vor in Schottland, wieder in die Pot Still zurückbefördert, sozusagen recycelt. Nur der Middel Cot wird ausgewählt. Er hat nunmehr mehr als etwa 70 % Vol. und ist immer noch kein Whisky, sondern „New Spirit\" oder „New Make\". Whisky darf er sich bekanntlich, wie wir vorher schon gehört haben, erst nennen, wenn er mindestens drei Jahre gelagert wurde. Wenn unser John den Spirit Safe durchflossen hat, ist er bleich und fast farblos. Nach all diesen Höllenqualen, die er durchzustehen hatte, ist dies auch kein Wunder. Aber die Mühen haben sich gelohnt. Denn jetzt bringt John alles mit, um sich in den vielen Jahren, die man ihn nun reifen lässt, zu entwickeln. Seine Anlagen sind bereits jetzt vielversprechend. Vorsichtig berochen gibt er schon einiges von dem frei, lässt er schon erkennen, was ihn später auszeichnen wird. Der Duft verrät, ob man nach 10, 12 Jahren entweder einen rauhen, nach Rauch und Torf schmeckenden, oder einen eher eleganten, feines Aroma verströmenden Malt in den Mund bekommt.
Doch wie im Leben immer, spielt neben der Vererbung auch die Umgebung eine Rolle, das soziale Umfeld sozusagen, in der ein junges Leben aufwächst. Bei John werden beide, die engere und die weitere Umwelt, einen großen Einfluss auf seine weitere Entwicklung haben. Das Fass, in das er mit einem kleinen Schluck Wasser gesteckt wird, genauso wie das Warehouse (Maturing mindestens 3 Jahre), die Lagerhalle, in der dieses Fass gelagert wird. Die britische Steuerbehörde passt im Übrigen auf, dass all die langen Jahre die Ruhe von John während seiner Lagerung nicht gestört wird. Ob John in einem Bour-bonfass war, kann man oft an einem leicht bis intensiven Vanillegeruch erkennen, stark ist er, wenn ein Malt zum ersten Mal in ein solches Fass kam. Verwendet werden aber auch Fässer, in denen früher Sherry war oder Madeira. Einige Brennereien machen mit der Fassauswahl eine Art Hauspolitik. Macallan beispielsweise ist dafür berühmt, nur Orloro-so-Fässer zu verwenden. Glenmorangie nimmt nur Bourbon-Fässer.
Im Laufe der Jahre bekommt John nunmehr zunehmend Farbe, seine natürlichen Anlagen werden auf das Holz reagieren und sich in höchst angenehmer und willkommenerweise beeinflussen lassen. Wie wir bereits gehört haben, spielt neben dem Holz als Faktor im Reifeprozess auch das Makro- und Mikroklima eine gewichtige Rolle. Dass die Malts von den Inseln oft neben ihren schweren Torfnoten auch einen gewissen Medizincharakter haben und manchmal sogar nach einer Brise Meerluft, nach Jod und Salz schmecken, ist dadurch erklärbar. In Bowmore liegen viele Fässer sogar unter Meereshöhe.
Wie alt man schließlich John Barleycorn in seinem Fass werden lässt, hängt nicht nur von seiner Qualität ab, sondern manchmal auch davon, ob sein Besitzer Geld benötigt und nicht jahrelang warten will, bis sich sein Kapital amortisiert.
Ob nun nach 8, 10, 12 Jahren oder noch länger, irgendwann ist es aber einmal soweit: John muss aus dem Fass. Jetzt wird für ihn, der bisher unter Zollverschluss lagerte, die Steuer fällig. Und es kommt der wichtigste Tag in seinem Leben. Man darf durchaus von einer Schicksalsentscheidung sprechen. Was wird nun aus ihm werden? Ein Blend? Ein Vatted Malt? Ein Single Malt? Oder sogar ein Single in cask straength?
Beim Abfüllen wird John normalerweise verdünnt, es wird ihm Wasser zugesetzt, sodass seine Stärke auf 40 bzw. 43 % Alkohol reduziert wird. Im Gegensatz zum Blended Whisky wird beim Single Malt kein Zuckercouleur verwendet, um die Farbe zu schönen. Der Malt Whiskyliebhaber hat erkannt, dass auch die Farbe ein Charakteristikum des Malts ist. Manchmal lässt man sogar John Barleycorn ganz unbehandelt und füllt das, was sich nicht als „Angels\'share\" in die schottische Atmosphäre verflüchtigt hat, in der Stärke ab, die es am Ende der Reifezeit im Fass erreicht hatte. Wie stark sodann dieser Malt, der als Highproof bzw. Cask straength ist, hängt von seinem Alter ab. Je älter John geworden ist, destoweniger Volumenprozent wird er aufweisen. Wenn er aus einem sehr guten Fass kam, kann er durchaus noch um die 60 Vol. % aufweisen. Einen solchen Malt muss man beim Genießen selbst verdünnen. Das sich dabei der Whisky leicht eintrübt und wolkig ist, ist ein untrügliches Kennzeichen dafür, dass er unbehandelt ist und man ihn nicht „kühlgefiltert\" hat. Durch das kurzfristige Kühlen wird zwar vielleicht die Farbe strahlender, nimmt dem Malt aber ziemlich viele Aromastoffe. Deren Vielfalt freilich macht, dass kein Malt dem anderen gleicht, dass er das individuellste und vielfältigste Getränk ist. Einmal in die Flasche gelangt, verändert sich der Malt nicht mehr, es sei denn, man setzt ihn lange dem Licht aus oder lässt ihn geöffnet zu lange stehen.
John\'s Leben hat sich nunmehr fast erfüllt. Sein Ziel findet er freilich erst im Glas, wenn sein Liebhaber und Verehrer- sei es männlich oder weiblich - ihn ausgiebig beschnuppern, ehe sie genussvoll schmecken, wie er sich im Mund entwickelt und wie er sich dann verabschiedet.
Nachdem unser John in seinem Leben viele Stürme zu überstehen hatte, müsste man ihm eigentlich ein ruhiges und in Andacht begangenes Ende gönnen. Statt dessen wird er möglicherweise aber Zeuge von Auseinandersetzungen, ja Glaubenskriegen, wie man den Single Malt Whisky trinkt, ob pur oder mit Wasser. Aber ob man ihn überhaupt mit Wasser trinken darf und wenn ja, mit wieviel, darüber wird gestritten bis zum heutigen Tag und mit viel Leidenschaft. Solange dieser Streit nicht ausartet und zu Diffamierungen führt und man sich gegenseitig die Kennerschaft abspricht, kann das streiten darüber, wie man einen Single Malt am besten genießt, durchaus amüsant sein, aber es sollte wirklich ums Genießen gehen. Kein Getränk dieser Welt eignet sich weniger für Bevormundung als der Malt Whisky.
Die Krönung im Leben von John Barleycorn ist es, wenn er Menschen gefunden hat, die ihn zu schätzen wissen, die in ihn hinein horchen, die ihn studieren und sich liebevoll mit ihm beschäftigen.
Zu guter Letzt: Es gibt keinen schlechten Malt! Nur die Kunst, herauszufinden, wann welcher am Besten mundet. Vorschriften passen nicht zum Malt Whisky. John Barleycorn ist nicht nur „the King of Drinks\", er ist das Getränk der Freiheit. Wie sagte Robert Burns? „Freiheit uns Whisky gehören zusammen\".
Die Gläser also nunmehr gefüllt und erhoben: Auf Schottland und sein Bestes; auf Robert Burns; auf John Barleycorn, sein Ende, unser Glück!